Pflegegrade

Die Feststellung einer Pflegebedürftigkeit erfolgt nach Ihrer Antragstellung auf Basis einer Begutachtung durch Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) oder bei privat versicherten Antragstellern durch das Unternehmen MEDICPROOF während eines Gesprächstermins bei Ihnen zuhause. Die Begutachtung dient einerseits der Feststellung Ihrer Pflegebedürftigkeit und andererseits der Ermittlung des Schweregrads der Pflegebedürftigkeit anhand von festgelegten Berechnungsregeln, die von Pflegewissenschaftlern erarbeitet worden sind.

In welchen Lebensbereichen werden Kriterien der Selbstständigkeit beurteilt?

Nach § 15 Sozialgesetzbuch XI werden die für die Einschätzung eines Pflegegrades relevanten Lebensbereiche in sechs Module untergliedert, um die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten und am Ende das Ausmaß dieser Beeinträchtigungen zu betrachten:

Modul 1: Mobilität
Modul 2: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
Modul 3: Verhaltensweisen und psychische   Problemlagen
Modul 4: Selbstversorgung
Modul 5: Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder                  therapiebedingten Anforderungen
Modul 6: Belastungen und Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakt

Wie erfolgt die Gesamtberechnung der Selbstständigkeit in den einzelnen Lebensbereichen?

 

In die Gesamtberechnung fließen die einzelnen Lebensbereiche mit verschiedenen Gewichtungen mit ein. Die Mobilität zum Beispiel mit 10% und die Selbstversorgung mit 40%. Die Dauer der Pflegebedürftigkeit muss voraussichtlich mindestens 6 Monate bestehen. Sie wird anhand einer Zukunftsprognose entschieden. Im Fall einer Lebenserwartung von weniger als sechs Monaten liegt in jedem Fall eine Pflegebedürftigkeit vor.

Die durch die Einschätzung gewertete Summe aller gewichteten Punkte aus den einzelnen sechs Lebensbereichen bilden alle zusammengenommen den Gesamtpunktwert. Dieser liegt zwischen 0 und 100 Punkten. Je weniger Punkte, desto selbstständiger ist der Versicherte. Ab 12,5 Punkten liegt eine Pflegebedürftigkeit und der Pflegegrad 1 mit einem Anspruch auf Pflegeleistungen vor.

Eine besondere Bedarfskonstellation und damit automatisch der Pflegegrad 5 liegt auch dann vor, wenn zwar die Gesamtpunkte unter 90 liegen aber beide Beine oder beide Arme gebrauchsunfähig sind. Diese Regelung soll besondere Härten einer Bedürftigkeit auffangen, die sonst nicht über die formale Begutachtung abgebildet werden können.

Sind die Bewertungskriterien für die Selbstständigkeit in allen Lebensbereichen gleich?

Da das Ausmaß der Beeinträchtigung oder der Fähigkeiten in den jeweiligen Modulen als Gesamtergebnis entscheidet welcher Pflegegrad vorliegt, sind in den einzelnen Lebensbereichen (Modulen) unterschiedliche Bewertungskriterien der Selbstständigkeit definiert:

  • In den Modulen 1,4, und 6 sind es vier Ausprägungen von Selbstständigkeit, die unterscheiden sollen ob eine Person selbstständig, überwiegend selbstständig, überwiegend unselbstständig oder unselbstständig ist.
  • Im Modul 5 ist die Berechnung anders: Zunächst die die Zahl der Hilfen, die wöchentlich oder monatlich von Nöten sind, in einen Tageswert umgerechnet.
  • In den Modulen 2 und 3 wird nur der jeweils höhere Punktwert berücksichtigt. Damit werden am Ende aus fünf Einzelwerten ein Gesamtwert berechnet.

Für die Organisation der Pflege ist von Bedeutung wer die Pflege ausführt, da einige Leistungen der Pflegeversicherung daran bemessen und erst dann erstattet werden.

 

Beispiel der Einschätzung der Selbstständigkeit beim Positionswechsel im Bett

Als Beispiel dient hier die Einschätzung der Selbstständigkeit für den Lebensbereich Mobilität im Modul 1 der Begutachtungsrichtlinie auf Seite 42 unter dem Punkt F 4.1.1 für den Positionswechsel im Bett:

Die Einschätzung richtet sich ausschließlich danach, ob die Person in der Lage ist, ohne personelle Unterstützung eine Körperhaltung einzunehmen/zu wechseln und sich fortzubewegen. Zu beurteilen sind hier ausschließlich motorische Aspekte wie Körperkraft, Balance, Bewegungskoordination etc. und nicht die zielgerichtete Fortbewegung. Hier werden nicht die Folgen kognitiver Beeinträchtigungen auf Planung, Steuerung und Durchführung motorischer Handlungen abgebildet.

F 4.1.1 Positionswechsel im Bett: Einnehmen von verschiedenen Positionen im Bett, Drehen um die Längsachse, Aufrichten aus dem Liegen.

  • Selbständig: Selbständig ist auch eine Person, die ihre Position unter Nutzung von Hilfsmitteln (Aufrichthilfe, Bettseitenteil, Strickleiter, elektrisch verstellbares Bett) allein verändern kann.
  • Überwiegend selbständig: Die Person kann beispielsweise nach Anreichen eines Hilfsmittels oder Reichen der Hand ihre Lage im Bett verändern.
  • Überwiegend unselbständig: Die Person kann beim Positionswechsel nur wenig mithelfen, z. B. auf den Rücken rollen, am Bettgestell festhalten, Aufforderungen folgen wie z. B. „Bitte die Arme vor der Brust verschränken und den Kopf auf die Brust legen.
  • Unselbständig: Die Person kann sich beim Positionswechsel nicht oder nur minimal beteiligen.

Für die Beurteilung ist es demnach nur ausschlaggebend, ob personelle Hilfe erforderlich ist oder nicht und in welchem Ausmaß. Hier spielt es zudem keine Rolle wer personelle Hilfe leistet, also ob durch Pflegepersonen wie pflegende Angehörige oder professionelle Pflegekräfte.

Bewertungskriterien der Selbstständigkeit

Selbständig: Die Person kann ohne Hilfe durch andere Personen in aufrechter Position eine Treppe steigen.

Überwiegend selbständig: Die Person kann eine Treppe alleine steigen, benötigt aber Begleitung wegen eines Sturzrisikos.

Überwiegend unselbständig: Treppensteigen ist nur mit Stützen oder Festhalten der Person möglich.

Unselbständig: Person muss getragen oder mit Hilfsmitteln transportiert werden, keine Eigenbeteiligung.

TIPP: Nahestehende Personen für ein Gefühl der Sicherheit

Unbedingt sollte daran gedacht werden das ein Angehöriger als Pflegeperson oder eine andere nahestehende Person für ein Gefühl der Sicherheit, zur Untermauerung des Hilfebedarfs und als Zeuge beim Begutachtungstermin mit anwesend ist.

Oftmals geben Angehörige wertvolle Auskünfte, die sich die Betroffenen vielleicht aus Scham selbst nicht trauen würden zu offenbaren. Eine realistische und ehrliche Beantwortung der womöglich unangenehmen

Welchen Einfluss hat die Mobilität beim Begutachtungsverfahren?

Der Mobilität wurde früher in der Begutachtung weniger Aufmerksamkeit geschenkt als es jetzt mit dem neuen Begutachtungsverfahren der Fall ist. In der Beurteilung werden immer wieder verschiedene Einschätzungen der entsprechenden Kriterien vorgenommen. Besonders das Treppensteigen wurde damals nicht ausreichend berücksichtigt. Aus diesem Grund nehme ich dieses Beispiel nachzulesen auf der Seite 44 der Begutachtungsrichtlinie:

Überwinden von Treppen zwischen zwei Etagen. Treppensteigen ist unabhängig von der individuellen Wohnsituation zu bewerten.

  • Selbständig: Die Person kann ohne Hilfe durch andere Personen in aufrechter Position eine Treppe steigen.
  • Überwiegend selbständig: Die Person kann eine Treppe alleine steigen, benötigt aber Begleitung wegen eines Sturzrisikos.
  • Überwiegend unselbständig: Treppensteigen ist nur mit Stützen oder Festhalten der Person möglich.
  • Unselbständig: Person muss getragen oder mit Hilfsmitteln transportiert werden,
    keine Eigenbeteiligung.

Neu ist auch, das relevante Ressourcen bezogen auf die Inanspruchnahme möglicher Präventions- und Rehabilitationsleistungen erfasst und dokumentiert werden müssen.

TIPP: Begutachtungsrichtlinie für bundesweit einheitliche Regeln

Diese Richtlinie soll eine bundeweit einheitliche Grundlage für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit und eine Präzisierung des neuen Begutachtungsinstruments schaffen. Die Regeln zur Pflegegradberechnung wurden nach pflegefachlichen Gesichtspunkten durch Pflegewissenschaftler erarbeitet.

Auf der Seite des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) kann die Begutachtungsrichtlinie eingesehen und runtergeladen werden.

TIPP: Verbesserungsvorschläge zum neuen Begutachtungsassessment (NBA)

Änderungen des Begutachtungsverfahrens sind in der Zukunft durchaus realistisch sollte sich in der Praxis herausstellen das erforderliche Hilfen durch dieses Instrument nicht abgebildet werden.

Sollten Sie im Laufe Ihrer Pflegetätigkeit Lob, Kritik oder Anregungen am aktuellen Bewertungsverfahren, den Umständen oder dem Ablauf einer Begutachtung sehen zögern Sie nicht diese weiterzugeben. Die insg. 15 Medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDK) der einzelnen Bundesländer halten auf deren Internetseiten Formulare zu diesem Zweck bereit.

Warum sollte ich ein Pflegetagebuch schreiben?

Über ein Tagebuch und das Ausfüllen eines Selbsteinschätzungsbogens lassen sich die vielen einzelnen Handlungen und Hilfen im Lebensalltag zusammentragen und auf den Gesamtaufwand betrachtet einschätzen. Es lohnt sich mindestens zwei Wochen lang alle Tätigkeiten, bei denen man Hilfe und Unterstützung braucht in ein Tagebuch einzutragen. Mit der Dokumentation konkreter alltäglicher Hilfe- und Unterstützungsleistungen in einen Selbsteinschätzungsbogen oder in ein Pflegetagebuch werden vielfach erst das Ausmaß der tatsächlich geleisteten Pflege in den 6 relevanten Lebensbereichen bzw. Modulen deutlich:

  • Modul 1: Mobilität
  • Modul 2: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
  • Modul 3: Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
  • Modul 4: Selbstversorgung
  • Modul 5: Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits-

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TIPP: Selbsteinschätzungsbogen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft

Hier können Sie den Selbsteinschätzungsbogen der Deutschen Alzheimer Gesellschaf runterladen, ausfüllen und ausdrucken.

Werden die Module Mobilität und Haushaltsführung bei der Berechnung des Pflegegrads nicht gewertet?

Über die Pflegegrade hinaus müssen die Gutachter Einschätzungen und Empfehlungen zu Maßnahmen der Prävention, Rehabilitation, zur Pflegehilfsmittel- und Hilfsmittelversorgung und zu erforderlichen Krankenbehandlung abgegeben. Dafür werden in zwei weiteren Lebensbereichen Informationen zwar festgehalten, jedoch nicht bei der Berechnung des Pflegegrades gewertet:

  • Modul 7: Außerhäusliche Aktivitäten
  • Modul 8: Haushaltsführung

Die beiden Module „Außerhäusliche Aktivitäten“ und „Haushaltsführung“ dienen zur Planung des Pflegebedarfs. Neu ist, das relevante Ressourcen bezogen auf die Inanspruchnahme möglicher Präventions- und Rehabilitationsleistungen erfasst, dokumentiert und bei einem entsprechendem Bedarf als Antrag gegenüber der Kasse gelten, sofern der Versicherte dem zustimmt.

Empfehlungen des Gutachters zu wohnumfeldverbessernden Maßnahmen und Hilfsmittel gelten ebenfalls als gutacherlich bewilligter Antrag auf die Maßnahmen gegenüber der Kasse. Es lohnt sich bei der Begutachtung diese Leistungen anzusprechen.

Ist personelle Hilfe erforderlich und wenn ja in welchem Umfang?

Für die Beurteilung ist es demnach nur ausschlaggebend, ob personelle Hilfe erforderlich ist oder nicht und in welchem Ausmaß. Hier spielt es zudem keine Rolle wer personelle Hilfe leistet, also ob durch Pflegepersonen wie pflegende Angehörige oder professionelle Pflegekräfte.

Für die Organisation der Hilfe- und Pflegeplanung und am Ende die Durchführung ist jedoch von Bedeutung wer die Pflege ausführt, da einige Leistungen aus der Pflegeversicherung daran bemessen und erst dann erstattet werden.

Der Mobilität wurde früher in der Begutachtung weniger Aufmerksamkeit geschenkt als es jetzt mit dem neuen Begutachtungsverfahren der Fall ist. In der Beurteilung werden immer verschiedene Einschätzungen der entsprechenden Kriterien vorgenommen. Besonders das Treppensteigen ist im Vergleich zum alten Einstufungsverfahren im neuen Begutachtungsassessment (NBA) stärker berücksichtigt worden.

Wie erfolgt die Einschätzung der Selbstständigkeit?

Anhand von 64 Kriterien in sechs Lebensbereichen wird berechnet, wie selbständig oder unselbständig die betreffende Person in seinem Alltag ist und welche Tätigkeiten er selbst nicht mehr ausführen kann, die einer Hilfe durch Dritte bedürfen. Es gibt insgesamt fünf Grade der Pflegebedürftigkeit mit einer Gesamtzahl von 100 Punkte.

  • Pflegegrad 0:  Keine Beeinträchtigung der  Selbstständigkeit unter 12,5 Punkten
  • Pflegegrad 1: Geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit ab 12,5 Punkten
  • Pflegegrad 2: Erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit ab 27 Punkte
  • Pflegegrad 3: Schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit ab 47,5 Punkte
  • Pflegegrad 4: Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit ab 70 Punkte
  • Pflegegrad 5: Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit ab 90 bis 100 Punkte mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.

TIPP: Sensible Themen vorher besprechen

Um den Betroffenen in solch einer Situation nicht öffentlich in Verlegenheit zu bringen ist es ratsam diese sensiblen Bereiche vorher zu besprechen und bereits in ein Pflegetagebuch aufzunehmen. In einer autonomieorientierten Welt Abhängigkeit zu akzeptieren fällt vielen Menschen nach wie vor schwer. Dabei sollte ein selbstbestimmtes Leben nicht trotz sondern gerade durch Unterstützung als „Normal“ angesehen werden.

TIPP: Vier-Augengespräch der Angehörigen mit dem Gutachter

Idealerweise beschäftigen Sie sich rund um das Thema Pflege gemeinsam mit Ihrem Familien- und Freundeskreis bereits mit Eintritt in das Rentenalter.

TIPP: Selbsteinschätzungsbogen des Sozialverbandes VdK

Der Sozialverband VdK Deutschland bietet auf seiner Homepage einen leicht zu handhabenden Selbsteinschätzungsbogen ähnlich einem Fragekatalog zur unverbindlichen Ermittlung eines voraussichtlichen Pflegegrades oder Überprüfung eines von der Pflegekasse zuerkannten Pflegegrades für Erwachsene an. Er kann einmal ausgedruckt und dadurch manuell per Hand und zum anderen direkt digital am Computer im Dokument selbst ausgefüllt werden.

Sie haben pflegebedürftige Angehörige und suchen Rat?

Für die Betreuung, Unterstützung oder Pflege eines liebgewordenen Menschen führen zielführende Informationen und eine gute Beratung zur bestmöglichen Organisation der Pflege.

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Weiterführende Inhalte.

Pflegeberatung

Versicherte  haben gegenüber Ihrer  Pflegekassen oder Pflegeversicherunge einen Rechtsanspruch auf Pflegeleistungen, wenn sie mindestens zwei Jahre lang versichert sind  und voraussichtlich mindestens sechs Monate pflegerische Unterstützung benötigen. Wie Pflegebedürftigkeit defniert, eine Begutachtung vorbereitet und der Gutachter des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) vorgeht erfahren Sie in hier.

Pflegeleistungen

Damit Sie Ihre Pflege organsieren können haben Personen mit einem anerkannten Pflegegrad von 1-5 einen Anspruch auf verschiedene Leistungen der Pflegekasse oder Pflegeversicherung. Da die Leistungen in den Sozialgesetzbüchern der Pflege- und Krankenversicherung in den letzten Jahres immer wieder einem Wandel unterworfen sind finden Sie hier stets die aktuellesten Informationen zu den Leistungen der Pflegeversicherung, sowie der Krankenversicherung.

Case Management

Seit 2009 bietet die Pflegeversicherung bei bestimmten Lebenssituationen in Fällen einer besonders komplexen Pflegesituation, bei der die Anliegen auf Seiten der Betroffenen nicht eigenständig gelöst werden können, einen Rechtsanspruch auf Care und Casemanagement innerhalb einer Pflegeberatung nach § 7a SGB XI.